Die Kirche

Ober-Ramstadts evangelische Kirche wurde 1717 nach Plänen von Louis Remy de la Fosse im Stil des Barock erbaut. Dieser stand in Diensten des Landgrafen Ernst Ludwig von Hessen-Darmstadt und entwarf auch das Darmstädter Schloss.

Die Kirche - Ein Haus mit Geschichte(n)

Die Evangelische Kirche hat seit über 300 Jahren so einiges "erlebt".

Die heutige Evangelische Kirche in Ober-Ramstadt hat bis weit in die Vorreformationszeit zurückreichende katholische Wurzeln. Bei Ausgrabungsarbeiten im Kirchenboden in den 60er Jahren wurden Reste von drei früheren Bauperioden der Kirche nachgewiesen. Die ältsten Funde stammen etwa aus dem 9. Jahrhundert.

Als Martin Luther 1517 seine 95 Thesen an der Kirchentür von Wittenberg angenagelt hat, begann die Reformationsbewegung in Deutschland als Folge der Unzufriedenheit mit dem Ablasshandel der mittelalterlichen katholischen Kirche.

Ein friedliches Nebeneinander der Anhänger der Lehre Luthers und der Katholischen Kirche war damals unvorstellbar. Es zogen sich gewalttätige und politische Machtkämpfe mehrere Jahre hin.

1526 beschloss der Reichstag in Speyer, den Ständen die Entscheidung der Glaubensfrage in Verantwortung vor Gott und Kaiser zu überlassen. Daraufhin entstanden unter anderem die lutherischen Landeskirchen, die den Landesherren nun neben der weltlichen auch die höchste geistliche Gewalt in seinem Territorium einräumten.

Unser Landgraf Philipp von Hessen war Anhänger der protestantischen Lehre und wurde zum Vorkämpfer der Reformation. Deshalb zog bereits 1540 der erste evangelische Pfarrer Georg Keitz in die Ober-Ramstädter Kirche ein.

Eine sehr schlimme Zeit war die Zeit des Dreißigjährigen Krieges mit Hungersnöten und der Pest. In Ober-Ramstadt haben die Menschen sehr darunter leiden müssen.

1622 fielen Söldnertruppen des böhmischen Heerführers Ernst von Mansfeld in das Gebiet des Landgrafen von Hessen-Darmstadt - auch hier in Ober-Ramstadt - ein und bekriegten sich mit dem kaiserlichen Heerführer Tilly. Der Darmstädter Landgraf Ludwig V. bemühte sich anschließend, auch für Ober-Ramstadt den Schaden, der durch die Verwüstungen entstanden war, zu mindern.

1634 lagern Truppen des Schwedischen Königs Gustav II. Adolf auf ihrem Rückzug in Traisa, während die gegnerischen kaiserlichen Truppen in Nieder-Ramstadt lagern. Auch dieses Mal bringen die Soldaten Verwüstung, Raub, Brand und Pest.

1635 ist es so schlimm, dass die Menschen entweder außer Landes ziehen oder verhungern müssen. Auch Pfarrer Nicolaus Vollhard stirbt in Kummer, Hunger und Elend. In Darmstadt wütet die Pest. Pfarrer Johannes Fabricius verlässt Ober-Ramstadt 1642 nach nur fünf Jahren wieder, um nicht ebenfalls verhungern zu müssen.

Als Pfarrer Kalenberg 1650 nach Ober-Ramstadt kommt, gibt es in Ober-Ramstadt nur noch 63 Menschen. In früheren Jahren waren es 85 Haushalte gewesen.

Ende des 17. Jahrhundert ist die Kirche fast eine Ruine. Erst mit dem beginnenden 18. Jahrhundert werden die Zeiten besser und friedlicher. Als Pfarrer Johann Georg Moter 1708 nach Ober-Ramstadt kommt, gibt es bereits wieder 95 Haushalte. Sieben Jahre später beschließt er, die verwüstete alte Kirche abzureißen und gewinnt Louis Remy de la Fosse, den Architekten des neuen Darmstädter Schlosses, eine neue Kirche für Ober-Ramstadt zu entwerfen. Diese wird in den Jahren 1716 bis 1718 gebaut und am 13. Sonntag nach Trinitatis, dem 11. September 1718 eingeweiht.

Das 19. Jahrhundert ist die Zeit der Vereine. Pfarrer Johann Georg von Wachter, der seit 1877 in Ober-Ramstadt ist, hat engen Kontakt zu vielen neu gegründeten Vereinen. Es gibt den Radfahrerclub, Feuerwehr, Kriegerverein, Militärverein, Gesangsverein Sängerlust, G.V. Germania, Turnsingverein, Turnverein, Gewerbeverein, Bauernverein, Beerdigungsverein Friede, Casino, Odenwaldclub. In der Gemeinde beginnt der diakonische Dienst mit der Einrichtung einer Kleinkinderschule, einer Krankenschwesternstation und einer Bücherei am Ende des 19. Jahrhunderts.

Das 20. Jahrhundert bleibt leider nicht friedlich. In zwei großen Kriegen müssen viele Menschen sterben. In beiden Kriegen muss die Gemeinde jeweils die beiden größeren ihrer drei Glocken abgeben, damit sie für den Krieg eingeschmolzen werden können. 1948 ist die Gemeinde wieder in der Lage, vier neue Glocken anzuschaffen, die seitdem in Ober-Ramstadt zu hören sind. 1918 wurde unter Pfarrer Waas der Kirchenchor sowie einige Jahre später der Posaunenchor gegründet und ein Kindergottesdienst eingerichtet. Der Gemeindebrief wurde als "Glaube und Heimat" unter Pfarrer Nürnberger gegründet. Nach dem zweiten Weltkrieg erfolgen große Baumaßnahmen: das Prälat-Diehl-Gemeindehaus, ein Jugendhaus und die neue Orgel werden eingeweiht, die Kirche bekommt ein neues Dach und auch das Kindergartengebäude wird vollständig erneuert.

Nachdem ab 1950 die ersten Häuser im Wohngebiet Eiche entstehen, mietet die Gemeinde dort zunächst Räume für einen Kindergarten und Gottesdienste an. Zwischen 1968 und 1973 entsteht das Gemeindezentrum Eiche mit zweiten Pfarrhaus, Kindergarten und Gemeindehaus.

Eine ausführliche Zusammenstellung der Geschichte der Evangelische Kirche in Ober-Ramstadt mit vielen lebendigen Zitaten aus der Kirchenchronik erstellte Dr. Gerhard Markert 1993 anlässlich des 275. Jubiläums des Kirchenbaus. Das ca. 150 Seiten starke Buch, dem auch viele Informationen dieser Seite entnommen sind, liegt in der Kirche aus und ist auf Anfrage auch bei der Evangelischen Kirchengemeinde erhältlich.

Öffnungszeiten

Die Kirche ist sonntags von 14 - 16 Uhr auch außerhalb der Gottesdienste geöffnet.

Folder zur Kirchenbesichtigung

Zeichnung der Ordnung des Kirchweihzuges zur Einweihung der Kirche in Ober-Ramstadt 1718Zeichnung aus der Kirchenchronik Quelle: "Die Kirche in Ober-Ramstadt" - Festschrift zum 275. Jahrestag der Einweihung der Ober-Ramstädter Kirche, bearbeitet und herausgegeben von Dr. Gerhard Markert; 1993; Eigenverlag der Evangelischen Kirchengemeinde Ober-Ramstadt

Architektonische Geschichte

Die Ober-Ramstädter Kirche von 1717 wurde auf den Fundamenten älterer Kirchen gebaut.

Die ältesten gefundenen Überreste stammen aus spätkaroligisch-ottonischer Zeit ca. 900 n.Chr.. Diese Vorgängerkirche war vermutlich ein einfacher kleiner Saalbau mit einer Ausrichtung nach Osten.

In romanisch-frühgotischer Zeit zwischen 1100 und 1200 n.Chr. wurde die Saalkirche vergrößert und erhielt einen kleinen Chorraum.

Ab ca. 1300 n.Chr. wurde die Kirche gotisch umgestaltet. Der Choraum wurde vergrößert und an der südlichen Seite des Chorraumes ein Wehrturm angebaut. Dieser wurde in späteren Jahren wieder abgetragen und auf der Westseite neu gebaut.

Die barocke Kirche von 1717 wurde nochmals nach Osten hin zu einem rechteckigen Grundriss vergrößert. Dazu wurden einige Mauern der alten Kirche wieder verwendet. Der Eingang war zunächst an der südlichen Seitenwand und wurde später nach Westen gegenüber dem Altarraum versetzt.

Das Innere der Kirche wurde bereits im 18. Jahrhundert verändert. Die Kanzel, die sich zunächst an der südlichen Längswand befand, wurde hinter den Altar versetzt. Damit erhielt man eine achsiale Anordnung Eingang - Taufstein - Altar - Kanzel - Orgel. Das Kruzifix befand sich auf der Empore über dem Eingang.

In den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurde die achsiale Anordnung aus ganz praktischen Gründen verändert: Bei Hochzeiten kam das Brautpaar immer nur schwer am Taufstein vorbei, der im Mittelgang stand. Dieser wurde daher im Altarraum an die südliche Seite versetzt. Um dennoch wieder eine theologisch bedeutungsvolle Anordnung herzustellen, wurde das Kruzifix zum Ausgleich auf die nördliche Seite des Altarraums versetzt. So wurde die achsiale Anordnung der Elemente in eine kreuzförmige Anordnung umgewandelt.

 Orgel 
KruzifixKanzelTaufstein
 Altar 
 Eingang 

2015 bis 2016 wurde der Dachstuhl der Evangelischen Kirche saniert, da ein Großteil des vorhandenen historischen Dachgebälks durch früheren Schädlings- und Schimmelbefall so stark geschädigt war, dass die Statik gefährdet wurde. Im Zuge der Sanierungsarbeiten wurde entdeckt, dass die Laterne des Kirchturms, die in den letzten Jahrzehnten geschlossen war, ursprünglich als offene Laterne gestaltet war. In enger Zusammenarbeit und Absprache mit dem Denkmalschutz wurde die Laterne daher wieder geöffnet. Vor der Verschmutzung durch Tauben wird hoffentlich der in einem neu installierten Nistkasten im Kirchendach nistende Turmfalke schützen. Auch dieser Dachbewohner samt seinen flüggen Jungvögeln wurde 2015 kurz vor Beginn der Sanierungsarbeiten entdeckt. Die neue Behausung hat er gerne angenommen.

2016-2018 wurde dann auch der Innenraum der Kirche vollständig saniert. Die gesamten elektrischen Leitungen, die Licht- und Tontechnik wurden erneuert. Der Putz wurde bis auf die halbe Höhe der Wände abgeschlagen, da sich über die Jahre Risse im Putz gebildet hatten. Neuer Putz wurde aufgetragen, die Anstriche der Wände und der Holzteile sowie der Holzfußboden im unteren Kirchenraum und auf der Empore erneuert und der Teil des Sandsteinfußbodens überarbeitet. Auf der Empore wurde eine Stufe entfernt und neue Bestuhlung wurde angeschafft. Im hinteren Teil des Kirchenschiffs wurden Einbauschränke installiert, um besseren Stauraum zu gewinnen.

Mit dem neuen hellen, warmen und freundlichen Anstrich und der neuen Beleuchtung ist die Kirche nun auch optisch ein einladender Ort geworden.

Herzlich willkommen!

Grundriss der evangelischen Kirche Ober-Ramstadt im Wandel von ca. 900 - 1716Grundrissskizze: Dr. Gerhard Markert Erläuterungen: A.Würz
Grundriss der evangelischen Kirche Ober-Ramstadt ca. 1718Grundrissskizze: Dr. Gerhard Markert Erläuterungen: A.Würz
Grundriss der evangelischen Kirche Ober-Ramstadt 1852Grundrissskizze: Dr. Gerhard Markert Erläuterungen: A.Würz
Grundriss der evangelischen Kirche Ober-Ramstadt 1969Grundrissskizze: Dr. Gerhard Markert Erläuterungen: A.Würz